Mögliche Störungen
1 Verneinung bzw. Vermeidung von Kommunikation
Der Versuch sich nicht zu verhalten, führt in eine paradoxe Situation, da auch dieses Sich-Nicht-Verhalten eine Verhaltensweise darstellt, demnach hat jedes Verhalten eine kommunikative Aussage.
Kommunikation basiert auf einem rückgekoppelten Austausch von Informationen. Findet diese Rückkopplung nicht statt (d.h. Feedback, ob eine Nachricht richtig angekommen und interpretiert worden ist, erfolgt nicht), bleibt es im Ermessen des Empfängers, die Nachricht richtig zu deuten. Der Absender der Nachricht hat dann keinen Einfluss mehr auf die Verwendung der Information.
Das Problem verschärft sich, wenn widersprüchliche (paradoxe) Informationen übermittelt werden und der Empfänger keine Anhaltspunkte erhält, welche der angebotenen Informationen im augenblicklichen Kontext die richtige ist.
2 Störungen der Kommunikationsebenen
Wenn die Kommunikationspartner nicht mehr klar zwischen Inhalt und Beziehung ihrer Kommunikation unterscheiden können, tritt eine Konfusion ein. Bei komplexen verdeckten Beziehungsdefinitionen kann es durch Ablehnung, Leugnung oder Entwertung des Kommunikationspartners zu Störungen kommen. Problematisch wird es ebenfalls, wenn richtige Beobachtungen zugunsten eines stabilen Status auf der Beziehungsebene verleugnet werden. So kommt es zu systematischen Verzerrungen, weil die Beziehung als lebenswichtig eingestuft wird.
Für eine erfolgreiche soziale Beziehung ist die Fähigkeit, über Kommunikation kommunizieren zu können, ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Metakommunikation ist die Kommunikation über Beziehungsaspekte. Das Unvermögen zur Metakommunikation kann verschiedene Ursachen haben:
Die Wahrnehmung wird eingeschränkt, um peinliche oder ängstigende Situati-onen zu vermeiden. Korrigiert wird nicht die Situation selbst, sondern die Wahr-nehmung.
Einschränkung der Selbstmitteilung kann dazu dienen, Furcht und Scham zu entkommen. So werden Probleme nicht angesprochen und bleiben latent vorhanden.
3 Diskrepante Interpunktion
Jede Person, die an einer Interaktion beteiligt ist, legt ihr eine bestimmte Struktur zugrunde, die WATZLAWICK als Interpunktion bezeichnen. So ist die Interpunktion die Art und Weise, wie Interaktionspartner Kommunikationshandlungen sehen. Kommunikationsketten können z.B. in dyadische oder triadische Glieder unterteilt werden. Eine solche Kette (z.B. ABABAB) besteht entweder aus „Reiz+Reaktion“-Gliedern (AB) oder aus Gliedern von „Reiz+Reaktion+Ver¬stärkung“ (ABA), bei denen B zwischen zwei Verhaltens-formen von A eingebettet ist.
„Jegliche Interpunktion von Ereignisfolgen ist an sich weder wahr noch falsch. Sie ist von der gegenwärtigen Beziehungsdefinition abhängig. Stimmt diese für die Partner überein, verläuft die Kommunikation ungestört. Diskrepanzen in der Interpunktion oder widersprüchliche Interpunktionen sind dagegen Ursache und Ausdruck vieler Beziehungskonflikte. Der Grund ist darin zu sehen, dass Ursache und Wirkung verschieden interpretiert werden, und jeder Partner sieht die Ursache für sein Verhalten beim anderen. Daraus ergibt sich ein Teufelskreis, weil jeder sich darauf versteift, ‚Opfer’ des anderen zu sein.“
DELHEES stellt in Anlehnung an WATZLAWICK drei wesentliche Strategien zur Durchbrechung dieses Teufelskreislaufs heraus:
• Metakommunikation dient der Klärung der Beziehung, indem über die Beziehung gesprochen wird. Das Ziel ist dabei, die Missverständnisse gegenseitiger Rollenzuschreibungen und Interpunktionen zu beseitigen.
• Durch unerwartetes Verhalten wird der Interaktionszirkel aufgebrochen, so dass neue Verhaltensmöglichkeiten wieder offen stehen.
• Mit dem Eingehen auf den anderen wird der Gegenüber mit seinen Wünschen und Bedürfnissen respektiert. Es wird ihm die Möglichkeit eröffnet, das zu bekommen, wonach er sucht (z.B. Bestätigung, Verständnis).
4 Fehler in der Deutung von Mitteilungen
Wir bedienen uns auf der Sach- oder Inhaltsebene eher digitaler Kommunikation, auf der Beziehungsebene dagegen vorwiegend der analogen Kommunikation. Allerdings sind beide immer miteinander gemischt. Zudem fehlen der analogen Sprache gewisse syntaktische Elemente der digitalen Sprache, wie logische Syntax (z.B. Negationen). Übersetzung von analogen Botschaften in digitale kann zu Missdeutungen führen. „In dem Maße, wie die Anteile rein digitaler und analoger Sprache in einer Mitteilung falsch gedeutet werden, entstehen Störungen und Konflikte. […] Der Erfolg oder Misserfolg jeder Interpretation ist von der korrek-ten Digitalisierung der analogen Mitteilung abhängig.“
5 Störungen in symmetrischen und komplementären Beziehungen
Eine Beziehung ist symmetrisch, wenn beide Kommunikationspartner gleichgestellt sind. Unter Wahrung des Gleichheitsgrundsatzes dient die Kommunikation der Verminderung von Unterschieden zwischen den Kommunikationspartnern. Eine Beziehung ist komplementär, wenn der eine Partner dem anderen untergeordnet ist und sich beide gegenseitig ergänzen.
Beim Zusammentreffen von Menschen legt jede Person eine Definition ihrer Beziehungen fest, die sich im verbalen und nonverbalen Verhalten widerspiegelt. Eine Beziehungsdefinition ist nicht einseitig, sondern löst zugleich eine Gegende-finition aus. Stimmt die eigene Beziehungsdefinition nicht mit der des anderen über mich überein, kann dies Verwirrung und Unsicherheit auslösen. Durch Metakommunikation über die Beziehung, mit dem Zweck die Beziehung zu klären, kommt Ablehnung einer Beziehungsdefinition des Gegenüber zum Ausdruck. Das Leugnen einer Beziehungsdefinition erklärt den Partner zur Nicht-Person, es ist eine Missachtung des anderen und kann auch die Form von Gleichgültigkeit und Unbeteiligtsein annehmen. Störungsfreies Kommunizieren bedeutet Stimmigkeit der gegenseitigen Beziehungsdefinitionen.
Formen der Störungen sind symmetrische Eskalation und starre Komplementarität:
• Symmetrische Eskalation: „Begegnen sich die Partner in einer symmetri-schen Beziehung fortwährend als Konkurrenten, kann es bald zu einer Störung kommen. Dies äußert sich in Rivalität und Wettbewerb. Dahinter steht der Wunsch, dem anderen ebenbürtig zu sein oder ihn zu übertreffen.“ Es gilt das Prinzip: „Wie du mir, so ich dir.“ Die meisten symmetrischen Beziehungen kreisen irgendwo um Kompetenz- und Machtfragen, was aber von den beteiligten Personen bzw. Parteien meistens geleugnet wird. • Starre Komplementarität: Verhaltensprozeduren sind von Machtverhältnissen abhängig, wie sie in hierarchischen Organisationen vorkommen: Auf ein bestimmtes Verhalten von Person A folgt stereotyp ein bestimmtes Verhalten von Person B, und diesem wiederum folgt ein bestimmtes Verhalten von Person A. Der Kampf um die Beziehungsdefinition und damit Störung der Kommunikation bedeutet immer, dass die allgemeinen interaktionellen Positionen der Partner in Frage gestellt werden. Darin äußert sich der Versuch, aus einem repetitiven Mechanismus vom komplementären Typus auszubrechen und das herrschende Modell der Interaktion zu ver-ändern. Verbunden damit ist die Gefahr der symmetrischen Eskalation.
6 Paradoxe Kommunikation
WATZLAWICK unterscheidet drei Arten von Paradoxien:
1. Logisch-mathematische Paradoxien beziehen sich auf die syntaktische Ebene der Kommunikation. 2. Die paradoxen Definitionen beziehen sich auf die Semantik von Kommunikationsprozessen. 3. Pragmatische Paradoxien beziehen sich auf die pragmatische Ebene von Kommunikation.
Eine logisch-mathematischen Paradoxie entsteht, wenn Zeichen mehrdeutig erscheinen, d.h. sich gegenseitig ausschließen.
Paradoxe Definitionen richten das Augenmerk auf die Verwechselbarkeit der Bedeutung von Begriffen in ihrem jeweiligen Kontext.
Als letzte Kategorie wird die handlungsorientierte Kategorie der pragmatischen Paradoxien angeführt:
Bei einer paradoxen Handlungsaufforderung wird eine Handlung gefordert und zugleich untersagt: „Tu was ich sage, nicht was ich möchte.“ In Organisatio-nen wird dies praktiziert, indem Personen oder hierarchische Ebenen, die eigentlich vom Informationsfluss berührt werden müssten, ausgelassen bzw. übersprungen werden.
Die „Sei spontan!“-Paradoxie ist eine Variante der paradoxen Handlungsaufforderung: Etwas Gefordertes kann nicht spontan erfolgen; immer dann, wenn eine Mitteilung gleichzeitig als komplementär und symmetrisch definiert wird, ist sie paradox. Dies ist wahrscheinlich die häufigste Art, wie Paradoxien in der sozialen Kommunikation entstehen können.
Doppelbindungen lassen sich wie folgt charakterisieren: Mehrere Personen sind in eine intensive Beziehung eingebunden. In solchen Beziehungen werden Mitteilun-gen gegeben, die
• etwas aussagen,
• etwas über die Aussage aussagen und
• so zusammengesetzt sind, dass diese beiden Aussagen einander aufheben bzw. unvereinbar sind.
Daraus folgt: Wie auch immer der Empfänger reagiert, es ist falsch!
Aufgrund der Doppelbindung ist der Empfänger nicht in der Lage, sich kritisch mit der Mitteilung auseinanderzusetzen. Er kann auf die Mitteilung weder nicht reagieren, noch kann er angemessen reagieren, was eine nichtparadoxe Reaktion sein müsste. In der Doppelbindung gelingt es dem Empfänger nicht, die Mittei-lungen anderer richtig einzuordnen.